Weinlese am Grenzfluss

Weinlese am Grenzfluss

Fritz Kurtz ist Winzer am Ritthof. Sein Anwesen umfasst mehrere Hektar Magerwiesen mit Kalkunterlage. Die Hänge fallen direkt nach Süden ab, hinunter zur Blies, dem wichtigsten Zufluss der Saar. Hinter der Blies liegt das Département Moselle. Dort war ab 1914 im damals deutschen Saargemünd der expressionistische Schriftsteller Alfred Döblin als Militärarzt stationiert. Er soll auf Spaziergängen rund um den Ritthof die Aussicht und auch die Weine von dort genossen haben. Damals war der Ritthof der größte Weinerzeuger in der Gegend. Laut blies-wein.de sind 40.000 Liter Wein für den Jahrgang 1897 aktenkundig. Heute hat Fritz Kurtz ca. 300 Stöcke der Rotweinsorte Regent gepflanzt. Je nach Jahrgangsqualität macht er daraus Rotwein oder Rosé, den er ab Hof verkauft. Mitte September steigt das Refraktometer schon auf 78 Grad Oechsle, und die folgende Woche soll es trocken bleiben. Ergebnis: Lesegut gesund, reif und reichlich.

Erntehelfer am Ritthof zwischen Bliesmengen-Bolchen und Bliesransbach mit dem tiefroten Regent 2020 und ein paar weißen Tafeltrauben.

Stahltank, Barrique oder Glasballon

Verarbeitet wird vor Ort. Mit dem Trecker fährt der Bruder des Winzers die Traubenbottiche den Steilhang hoch. Im alten Hofgebäude werden sie entrappt und eingemaischt - oder abgepresst, falls der Regent zu Rosé verarbeitet wird. Alles läuft routiniert ab, nicht anders als in einem großen Betrieb. Nur die Gebinde sind kleiner und von anderem Material. Statt Gärtanks aus Beton oder Edelstahl, wie man sie aus den großen Weinbauregionen kennt, kommt man am Ritthof mit Glasballons und Korbflaschen aus.

Die Küche des Alchimisten. Fritz Kurtz bei der Kontrolle des Mostgewichts

Weitere Lagen an Saar und Blies ...

An Oberer Saar und Blies, im Grenzland zwischen Saarland und Lothringen, gibt es seit ein paar Jahren wieder einige kleinere Wingerte. Viele sind es nicht, und man kann sie an einem schönen Herbsttag wie heute alle mit dem Rad abfahren. In Kleinblittersdorf gab es früher ein bedeutendes Weingut namens Heckel. Davon sind noch ein paar Hundert Weinstöcke in Bewirtschaftung. Aber sehen kann man sie nur vom französischen Ufer der Saar, am besten von der Schnellstraße, von Sarreguemines kommend Richtung Forbach, kurz vor der Abfahrt nach Saarbrücken. Auch der Wald östlich der Rebenstraße in Kleinblittersdorf war früher ein großer Wingert. Heute steht dort ein Laubwald - auf den von Natursteinmäuerchen gehaltenen ehemaligen Weinbergterrassen. Im unteren Teil hat die Gemeinde ein paar Schmuckreben gepflanzt - als Erinnerung an den kommerziellen Weinbau, der in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts mit dem Montanboom zu Ende ging.

Bodenhorizont an der Blies: Kalkbrocken in der Humusauflage, gefolgt von einer massiven Schicht Muschelkalk.

Garage Wine from Saar

Mit meinem neu gekauften Refraktometer fahre ich alle mir bekannten Rebanlagen ab und messe Grad Öchsle. Der Klimawandel muss der Oberen Saar und dem Bliesgau zugutekommen. Die Südhänge, die geschützten Lagen, die mageren Kalkböden. Das alles zusammen müssten ideale Voraussetzungen sein für qualitativ hochwertigen Wein. Und das will ich in Zahlen ausdrücken können. Wintringer Hof. Bliesransbach. Haus Lochfeld. Reinheim. Ich messe und messe. Und bin ganz zufrieden. Je nach Rebsorte liegen die Werte knapp unter 80, zum Teil aber auch schon bei 100 Grad Öchsle, was einem durchgegoren Alkoholwert von 10,5% bis knapp 14% entspricht. "Anreichern", also Zucker zum Most tun, braucht man im Bliesgau nicht mehr.

Garage Wine Productions in Bliesransbach, Saarland. Familie Bubel beim Abpressen der Weißwein-Lese 2020.

Zum Heurigen in die alten Reben

In den aufgegebenen Rebanlagen, von denen noch immer die Terrassen und zum Teil die Natursteinmauern zu erkennen sind wie beispielsweise rund um das Haus Lochfeld bei Wittersheim sieht man auch immer wieder Weinblätter - Austriebe von Reben, die das Ausstocken vor hundert Jahren überlebt haben. Aber man findet im Bliesgau auch eine Rebanlage, die es damals schon gab und die es noch immer gibt. In Bliesransbach, im alten Weinviertel, in dem die Straßen der urbanen Ausdehnungsgebiete der Siebziger Jahre "In den großen Reben" und ähnlich heißen, stehen ein paar Hundert Weinstöcke, vor Blicken und Wildschweinen durch eine Hecke geschützt. Ihr Besitzer, Herr Bubel, hat den Wingert von seinem Vater übernommen, wie dieser schon von seinem Vater. Die Vielzahl an unterschiedlichen Rebsorten hat er von einem Fachmann ampelographisch bestimmen lassen. Ich hatte das Glück, eingeladen zu sein - auf einen gemischten Satz Weißwein, Jahrgang 2018. Gekeltert und ausgebaut in der Garage. Ohne Zuckerzusatz und ohne Schnickschnack. 10,5 % Alkohol. Bliesransbacher Sommerberg oder so. Ich bin begeistert. Dem Bliesgau-Wein gehört die Zukunft!

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