Das Ergebnis der Lese im Vorjahr war mager: Svenja und ich drehten jedes Blatt um und nahmen sogar die grünen Geiztrauben mit. Nach zwei Stunden Rumgekraxel im Steilen Süden fuhren wir mit zweieinhalb Eimern Rieslingtrauben nach Lieser zu Hermann Grumbach. Nach Pressen und Trubabzug blieben uns knapp fünf Liter, also sechs Schlegelflaschen und ein bisschen. Das war auch okay. Wir hatten auf Anraten von Hermann Grumbach nach Inaugenscheinnahme in Neef beschlossen, auf Holzaufbau der Reben zu schneiden und auf Ertrag zu verzichten. Trotzdem waren wir extrem neugierig, was der Steile Süden mit seinem radikalen Schieferskelett und seinen wurzelechten Rebstöcken zustande bringen würde. Und so hatteen wir die karge Ausbeute eingesammelt. Wir haben den Steilen Süden mit dem Grumbach'schen Riesling, der bereits gärte, geimpft, weil unser mit 72 Öchsle nicht gerade opulenter Most nicht so recht mit der Gärung loslegen wollte.
2020 - sechs Flaschen aus 800 Stöcken
Schließlich hatten wir sechs Flaschen abgefüllt: ohne Schönung, ohne Chaptalisierung, ohne Filtrierung, ohne Schwefelzusatz. Ziemlich puristisch. Die malolaktische Gärung oder BSA (biologische Säureabbau), bei der Apfelsäure in Milchsäure unter Freisetzung von CO2 umgewandelt wird, machte der 2020er ohne unser Zutun in der Flasche. Die empfundene Säure wurde dadurch abgemildert, das in der Flasche gefangene CO2 unterstrich die Mineralität und die Frische. Der 2020er "Steile Süden" war, ohne dass wir das beabsichtigt hatten, zu einer Art "Riesling Verde" oder einem "Pet Nat" geworden. Und alle fanden's geil - die sechs Flaschen halt.
2021 - viel Geschein, viel Regen und Pilzdruck ...
Die Freude, die sich zwischenzeitlich - nach dem durch den langen Winter verzögerten Austrieb - angesichts der sich üppig entwickelnden Blütenansätze einstellte, hielt nicht lange. Auf das kalte Frühjahr folgte ein verregneter Sommer, und das Risiko eines massiven Pilzbefalls stieg. Der Steile Süden wird zwar gegen Pilzbefall (echter und falscher Mehltau) gespritzt (und sonst gegen nichts), aber all das erledigt der Hubschrauber, und die Wirkstoffe erreichen aufgrund des Abstands seiner Spritzdüsen zu den Reben nicht die Traubenzone. Die meisten Weinbaubetriebe spritzen von Hand nach. Wir nicht. Und jetzt dieses Pilzwetter! Sollten wir also schon wieder kaum etwas ernten?
... aber am Ende gesundes Lesegut!
Um so größer war die Freude, als wir sahen, dass der magere, ungedüngte Boden, der die Reben nicht gerade mit Nährstoffen mästet, die Beeren relativ klein bleiben ließ, so dass Wind und Sonne nach den Regenfällen die Blütenstände und Beeren wieder trocknen konnten. Wir legten eine Zusatzschicht ein, um Blätter zu entfernen und den Trocknungsprozess zu unterstützen. Das Ergebnis: gesundes Lesegut, so gut wie kaum falscher Mehltau und kein Fäulnis-Befall.
Brigadistinnen und Brigadisten im Steilhang
Wir waren dieses Jahr international: Deutschland, Frankreich, Kolumbien, Kuba! Die Lese war einfach, weil es kaum Fäulnis, Sonnenbrand oder Peronospora ("falscher Mehltaus") aus den Trauben herauszulesen gab. Die Lese war beschwerlich, weil sie im Steilen Süden stattfand, mit an den steilsten Passagen 65 Grad Neigung. Dank des tapferen Einsatzes unserer Leser:innen waren wir in fünf Stunden fertig. Zwei Eimer machten einen steilen Abgang - einer davon schwimmt jetzt in der Mosel, oder auch schon im Rhein, eine Schnittwunde musste versorgt werden, es ist niemand verhungert und schon gar niemand verdurstet - wir hatten Wein von Hermann Grumbach und den Utopia von Sonja Geoffray dabei. Nur die von mir angekündigte Sternegastronomie konnte dieses Jahr nicht mit von der Partie sein. Wir übern eben noch - und werden nächstes Jahr besser. Vielen Dank an euch alle - und natürlich auch an die, die das Jahr über geschnitten, Dornen gehackt, ausgegeizt, gegipfelt und entblättert hatten. Ohne euch, wären wir in diesem Jahr nicht zu diesem Ergebnis gekommen.