PPT im Steilen Süden

PPT im Steilen Süden

Der Steile Süden ist eine Parzelle im Neefer Frauenberg. Der sehr steile Wingert besteht aus Schiefer und bietet damit eigentlich beste Voraussetzungen für einen mineralischen Riesling mit typischem "Terroir". Früher hat der Steile Süden auch tatsächlich einen tollen Wein abgegeben. Jetzt ist er seit drei Jahren verwildert. Dornenhecken wurzeln zwischen den Reben und nehmen ihnen, was sie zum Leben brauchen: Wasser, Nährstoffe, Licht. Die Reben treiben tief im Stamm aus, schieben ihre Ranken über den Boden, verschlingen sich mit den Ranken anderer Reben und erwürgen sich gegenseitig. Sie produzieren entsetzlich viele, meist krüpplige Trauben und noch viel mehr Blätter. Von der Traumlage ist nichts mehr zu sehen.

Ein Zeuge besserer Tage, der letzte Jahrgang des Steilen Süden : 2015. Mit exakter Geo-Location und stilisiertem Steilhang

Wir sind entschlossen, den Steilen Süden zu retten: Wir, das sind Hannah, die Eigentümerin, Svenja, die passionierte Gärtnerin, und Undine, die am Steilhang ihre "Komfortzone verlässt". Sie arbeiten sich vom Fahrweg nach unten vor und drängen erst einmal die Dornen zurück. Das Gerät, das man dazu braucht, kann ich mit gebrochenem Arm gar nicht bedienen. Ich werde mich um die Reben auf der untersten von drei Terrassen kümmern und rutsche dazu den blanken Schiefer auf dem Nachbargrundstück hinunter. Hier steht außer den Pfählen, an denen einst der Wein hochrankte, gar nichts mehr. Der Nachbar hat in der extremen Steillage, in der alle Arbeit von Hand erledigt werden muss, kapituliert.

Undine, glücklich in der grünen Hölle.

Jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Sicher, die Rebe braucht Wasser. Aber Feuchtigkeit schafft ideale Bedingungen für Pilzkrankheiten. Und hier gibt es eh schon zu viel Laub, so dass die Sonne die Feuchtigkeit nicht schnell abtrocknen kann. Außerdem liegen die Reben auf dem Boden. Ein Horror! Ich schneide mich mit der Gartenschere durch den Wildwuchs. Von unten nach oben, das heißt: Ich sehe mir das alte Rebholz an. Alles, was hier seitlich herauswächst, muss weg. Besonders achtgeben muss man auf die Ranken, die ganz unten ansetzen, unterhalb der Pfropfung. Was da herauswächst, sind keine Riesling-Ranken, sondern die Triebe der amerikanische Unterlagsrebe. Da sie resistent gegen die Reblaus ist, wird sie über 100 Jahren europaweit eingesetzt. Aber sie wächst auch wie der Teufel. Zudem ist sie näher an der Wurzel und sitzt damit an der Quelle der Versorgung mit Mineralien und Wasser. Und da wir Riesling haben wollen, muss das alles weg.

Sonntag 15h, der Steile Süden ist geschoren. Mit Svenja und Hannah.

Erst schneide ich ab, dann schneide ich klein, damit das Grünzeug auf dem Schiefer trocknen und verrotten kann, ohne dass der nächste, der hier arbeitet, sich darin verheddert und den Berg hinunterstürzt. Zum Schluss hebe ich die auf dem Boden liegenden Riesling-Ranken, an denen gesund ausgebildete Trauben hängen, auf und wickele sie um den Holzstab, an dem sie hochwachsen sollen. Wir wollen ja im Oktober wenigstens symbolisch ernten! Blöderweise habe ich nichts zum Festbinden dabei, und der Weg zum Auto ist zu weit und zu steil. Ich biege vorsichtig die Ranken um den Holzpflock und spüre, wie sie geschmeidig werden, sich führen lassen und sich anschließend selbst wieder ineinander verhaken. Ob das auf Dauer hält, weiß ich nicht. Aber es macht Spaß und fühlt sich gut an, und ich komme mir vor wie ein Krankengymnast für Pflanzen, ein PPT, ein Physio-Phyto-Therapeut!

Steiler Süden nach Radikalschur: wieder bereit für mineralische Riesling-Produktion

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